Wir setzten unsere Reise fort. Ein Blitz schlägt in die See, die immer gröber wird. Was für eine Nacht. Ich habe ein ungutes Gefühl wegen des Cabo Fisterras, der Westspitze Galiziens, um das wir ja auch noch herum müssen…

Galizien

Baiona, 26.08.2016

Um das Kap herum war es wie so oft neblig, doch entgegen meiner Annahme wehte nur ein schwacher Wind. Statt des von mir erwarteten, groben Seegangs, gab es nur sanfte Wellen, die uns anschoben. Das spanische Festland, in dessen Nähe wir schon einen halben Tag unterwegs waren, hatten wir noch gar nicht sehen können. Kaum hatten wir aber die Landspitze gerundet, verschwand der Nebel und die Sonne setzte sich durch. Die Berge leuchteten und das Meer glitzerte. Kurz vor Mitternacht, etwa drei Tage nach Brest, liefen wir schließlich in den Badeort Baiona ein, südlich von Vigo. Müde, aber glücklich machten wir  im Real Club Nautico de Yates fest. Was für eine Überfahrt! Man kann nahezu eins werden mit den Elementen, gerade auf einer kleinen Yacht. Erlebt  Momente großer Schönheit. Aber diese gibt es eben nicht ohne Strapazen, ohne Regen, heftiges Geschaukel und Gefahr.

28.08. 2016 , 09:27  

Baiona liegt am Atlantik, am Fuße einer kleinen Halbinsel. Diese bildet zum Land hin eine geschützte Bucht. Hier sind Yachtclub und Stadt angesiedelt. Ein wirklich netter, geschichtsträchtiger Ort, der hauptsächlich Spaniern vorbehalten bleibt. Als Nicht-Spanier ist man hier ein Exot, der vom Fischhändler neugierig ausgefragt wird: Aus Deutschland? Das ist ja spannend!

Die paar Stunden, bis zu unseren neuerlichen Aufbruch sind wie im Fluge vergangen. Kein Wunder; wir hatten drei Tage auf See hinter uns – und drei Tage vor uns. Es fühlte sich an, als ob man das Land wie ein Schwamm aufsaugen kann. Aber es half ja nichts: Wir hatten schon zu viel Zeit in Städtchen verbracht und der Wetterbericht sagte mäßigen bis frischen Nordnordwestwind voraus. Am späten Nachmittag liefen wir aus.

Wir kamen gut nach Süden voran. Am Abend kamen Nebelbänke auf. Dann zog es ganz zu, es blieb Null Sicht über viele Stunden. Der Wind drehte weiter nach Nord, zwang uns auf raumen Kurs in immer größere Entfernung zum Land. Endlich, gegen morgen war der Spuk vorbei, die Nebelbänke blieben zurück.

Der nächste Tag verlief ereignislos. Nichts und niemand fuhr da draußen herum. Die Großschifffahrt, noch weiter vom Land entfernt, war nur auf dem Radar zu sehen.

Gegen Mittag, bei etwa 40 Meilen Abstand, halsten wir wieder zum Land hin.

In der Nacht erreichten wir schließlich die Berengas–Inseln bei Peniche. Damit hatten wir wieder Datenfunk – und einen Wetterbericht. Es hatte sich nichts Wesentliches geändert. Zwar sollte der Wind in absehbarer Zeit auf bis zu 30 Knoten zulegen, aber von achtern, das konnte für uns doch kein Grund sein, in einen Hafen zu fahren.

Am nächsten Morgen sahen wir Sintra, warfen von Ferne auch einen kurzen Blick auf Lissabon, passierten das Kap Epichel bei Sesimbra ebenfalls mit Abstand, und

waren schon wieder draußen, in der riesigen Bucht, die sich südlich von Lissabon

zum Cabo Sao Vicente hin öffnet.

Kap Sao Vicente

28.08.2016  20:06 Bordzeit, 35 Seemeilen nördlich vom Kap Sao Vicente

Oliver bemerkte eben, er fühle sich wie nach einer durchzechten Nacht. Das trifft es ganz gut, finde ich. Zwar fahren wir überwiegend Einzelwachen, können uns also jeder theoretisch 12 Stunden am Tag ausruhen, aber so einfach ist das nicht: Zum einen sind unsere Wachen zwei, am Tage drei Stunden lang – man schläft also nie durch. Zum anderen lässt uns unsere kleine Fahrtenyacht in der Atlantikwelle ziemlich regelmäßig hin- und her rollen, was das Ruhen schwierig macht. Man versucht sich irgendwie in der Koje festzukeilen, mit allem, was man findet. Man legt sich breitbeinig auf den Bauch: Hat man es dann endlich geschafft einzuschlafen, ändert sich der Seegang und die Rollbewegung, oder der Motor springt an, oder irgendeine Funkstelle quakt einem ins Ohr. Es ist nicht leicht zu ruhen. Wir sind auch schon fast eine Woche unterwegs seit Brest, und dabei überwiegend in Küstenfahrt, also mit erhöhter Aufmerksamkeit. Der Boxenstopp in Baiona war für den Rhythmus eher kontraproduktiv. Immerhin stehen wir in dieser wilden, tiefblauen, aufgewühlten See vor dem letzten Kap dieser Reise: Sao Vicente: Dahinter liegt ja schon unser Ziel: Die Algarve …!

Aber zunächst müssen wir es noch ums Kap herum schaffen: Der Wind hat – wie angekündigt auf 25-30 Knoten zugelegt. Die Wellen sind im Mittel 2-3 Meter hoch und folgen für den Atlantik ungewöhnlich steil und dicht aufeinander. Sicherheitshalber liegt die Sturmfock angeschlagen an Deck. Wir hoffen aber, dass der Wind bis zum Kap wieder nachlassen wird.

Die Nacht ist mondlos, nur die Milchstraße spendet etwas Licht. Die Steckschotten sind eingeschoben; immer mal wieder bricht eine Welle direkt hinter uns, aber das spitze Fahrtenyachtheck parierte bisher jeden Versuch, uns nass zu machen. Es gurgelt, es zischt, hin und wieder klappert es in der Besteckschublade.

Wir runden das Kap in zwei Seemeilen Abstand. Als wir glauben, es schon hinter uns zu haben, frischt der Wind aber noch einmal kräftig auf. Endlich verschwindet der Seegang, wir nehmen Kurs auf Lagos.

Am Morgen machen wir am Besuchersteg der Marina fest. Uns geht es gut. Auch wenn die Reise länger gedauert hat als geplant, so können wir doch sagen, dass wir am Ende von Brest nicht mal eine Woche bis hier herunter gebraucht haben. Und dass wir, die wir aus Anlass der Überführung eine Zweckgemeinschaft auf engstem Raum eingegangen sind, uns noch immer in die Augen schauen können. Mehr noch, wir haben uns bis zuletzt gut verstanden. Das ist die größte Leistung, denke ich.

Rainer Holtorff