Orca-Angriffe auf Yachten
Seit Juli 2020, also unmittelbar nach dem weltweiten Lockdown, kommt es an der Küste der Iberischen Halbinsel immer wieder zu Angriffen von Orcas auf Yachten. Meist verlaufen diese nach dem gleichen Schema: Eine Yacht, ganz gleich ob sie unter Motor läuft oder segelt, wird von mehreren, meist jungen Orcas angegangen. Die großen Delphine schwimmen über einen Zeitraum von bis zu einer Stunde parallel zum Schiff und zielen auf Ruder und Kiel. Besonders die Ruder der Yachten sind dabei im Focus: Die Säuger beißen hinein, rammen und beschädigen sie derart, dass ein Teil der Schiffe in den nächsten Hafen geschleppt werden muss, um eine aufwendige Reparatur vorzunehmen.
Wissenschaft und Öffentlichkeit stehen diesen Orca-Angriffen bislang ratlos gegenüber. Die Erklärungsversuche reichen von Reaktionen auf zu viel Schiffslärm, über einen einfachen Spieltrieb junger „Rowdys“ und dem Vertreiben von Fressfeinden, bis zu einer konzertierten, symbolischen Reaktion der Tiere auf den destruktiven Einfluss des Menschen gegen die Natur.
Wir sind in 2021 über 20 Mal durch die betroffenen Gebiete gesegelt. Zweimal hat es auch unsere Crews erwischt. Nur zweimal kann man eigentlich sagen, angesichts der Anzahl von Orca-Angriffen – allein im Jahre 2021 dürften es schon über 150 gewesen sein.
Das erste Mal widerfuhr es uns, als wir mit einer werftneuen Y7 unterwegs waren. Die Orcas kamen nachts im Golf von Cadiz und arbeiteten sich eine gute Stunde am Ruder dieser Yacht ab. Der Motor war abgeschaltet, die Yacht trieb nur noch, dann verschwanden sie wieder.
Beim zweiten Mal traf es eine Dreiercrew, mit einem Skipper von uns (die YACHT berichtete). Sie waren mit einer Beneteau 38 an gleicher Stelle unterwegs, unweit Barbarte, ebenfalls im Golf von Cadiz, 30 Meilen von der Straße von Gibraltar entfernt. Fred, unser Skipper auf dem Törn, berichtete, dass die Orcas 17 Mal angriffen, ehe sie wieder das Weite suchten
Während die große Y7 (70 Fuß) nach dem Orca-Angriff keine Schäden aufwies, hat es die Beneteau heftiger erwischt. Das Ruder war teilweise abgebissen, auch hat das kleinere Schiff am Kiel durch die andauernden Rammings mehr einstecken müssen.
Zurzeit sind wir wieder im „Orca-Gebiet“ unterwegs, diesmal mit einem Kat, einer Lagoon 50. Wenn man potentiell betroffen ist, macht man sich Gedanken, ob man sich nicht wehren oder die Orcas zumindest irgendwie abschrecken kann. Die portugiesischen und spanischen Behörden empfehlen ja, bei Kontakt mit den Orcas alles abzuschalten, sich also « tot » zu stellen, damit die Tiere nicht zusätzlich gereizt werden. Aber diese Strategie hat sie in letzter Zeit nicht immer davon abgehalten erheblichen Schaden anzurichten.
In den einschlägigen Seglerforen wird auch über Gegenmaßnahmen diskutiert. Meist hinter vorgehaltener Hand, denn bei Orcas handelt es sich um eine gefährdete Art, und daher verbietet sich natürlich jede massivere Gegenwehr.
Dennoch werden Abwehrideen besprochen. Von Chlor oder Diesel, über kleine Böller, mit Megafonen bestückte PVC-Rohre, oder Metallstangen, die ins Wasser reichen und die man mit Hämmern bearbeitet, um die Tiere mit Lärm zu vertreiben, so wie es angeblich kanadische Fischer tun. Auch Rückwärtsfahren unter Motor wurde schon als sinnvoll erachtet.
Wir sind gespannt, wie es weiter geht. Beim aktuellen Törn haben wir uns auf jeden Fall etwas vorbereitet und werden schauen, ob die Abwehrmaßnahmen gegebenenfalls Erfolg haben. Denn sich nur tot zu stellen und zu warten, bis man manövrierunfähig ist, kann unserer Meinung nach keine zukunftsweisende Strategie sein. Es muss möglich sein, sich zu verteidigen, zumindest massiv abzuschrecken: Würde einen nicht sonst auch jedes Tier auslachen?
An dieser Stelle traf uns der Angriff auf einer Y7. Dort haben die Behörden mittlerweile eine Sperrzone eingerichtet.
Zurzeit sind wir in der Region mit dieser Lagoon 50 unterwegs
Besonders um das Kap Fisterre kommt es zu Orca-Angriffen
Mit dieser Y7 wurden wir im Juli ’21 angegriffen, solchen Yachten können die Tiere meist nichts anhaben. Bei kleineren Schiffen sieht die Sache natürlich schon anders aus…