Dienstag, 29. Mai 2018, zwischen A Coruña und Vigo
Nach der Biskaya sind wir am Abend in A Coruña eingelaufen. Wir hätten auch gleich die Ria de Vigo ansteuern können und wären dann ein ganzes Stück weiter südlich gewesen, aber unser Skipper wollte die nordwestlichste spanische Stadt nicht auslassen. Er hat in letzter Zeit viel über das Thema Langfahrtsegeln gelesen und in diesen Kreisen hat der Name A Coruña als Ankunfts- oder Absprunghafen über die Biskaya einen gewissen Klang. Ich habe dort inzwischen ein paar Mal festgemacht und hänge auch irgendwie an dieser Stadt. Zumindest stand ich beim Abschied bisher jedes Mal an Deck und schaute etwas wehmütig ihrer Silhouette hinterher, aus der der mächtige Torre de Hercules ragt. Diesmal wollte ich herausfinden, was mich eigentlich so fesselt. Anna, eine Einheimische, die ich auf einer früheren Reise kennengelernt hatte, hatte spontan Zeit. Wir gingen spazieren und sie erzählte mir, dass die Gallegos unter den Spaniern als verschlossen und kühl gelten. Und dass es in Galizien im Sommer oft monatelang warm sei, aber nie heiß. Im Winter schütte es dafür manchmal einen Monat lang wie aus Eimern. Dem Einfluss des Ozeans könne man sich hier nicht entziehen.
Vielleicht ist es der in dieser ausgelieferten Lage gewachsene, spröde Charme der Bewohner, der mich anzieht. Verschlossene Menschen sind mir aus Hamburg ja vertraut. Die Zurückhaltung der Coruñer zeigt sich auch in den Fassaden, wo vor die gemauerten noch hölzerne Galerias mit Fenstern gesetzt sind, die die Wärme halten sollen, aber auch wie eine Barriere wirken.
Meine Freundin erzählte, dass sie vor einiger Zeit nach Belgien gezogen sei, in die Nähe von Lüttich. Sie habe es aber nicht lange ausgehalten auf dem platten Land, das Meer habe ihr zu sehr gefehlt. Die Stadt liegt zum Teil auf der Landbrücke einer Halbinsel. Auf der Binnenseite der Hafen mit seiner Hochseefischerflotte, den Schleppern, Lotsenbooten, Containerschiffen und Yachten. Auf der anderen Seite, keinen halben Kilometer entfernt, der Praia de Riazor: Ein breiter, von hoch aufragenden Gebäuden umschlossener Strand mit salzigem Meerwasser, im Wechsel der Gezeiten, eine offene Grenze zwischen Stadt und Wildnis des Ozeans.
Ich bin etwas schwimmsüchtig und nutze auf Törn fast jede Gelegenheit dieser legalen Droge nachzugehen. Meine Freundin hatte mir das Casa del Agua empfohlen, eine Schwimmhalle im Süden der Stadt. Auf dem Weg dahin kreuzte eine Surferin meinen Weg, bereits im Wetsuit, das Brett unterm Arm. Ich bog ab, um zu sehen, wo sie denn surfte. Bald stand ich auf der Promenade und sah den Wellenreitern zu. Weiter links fiel mir ein Mann auf, der im Meer planschte, als hätte die Wassertemperatur nicht 14 sondern 25 Grad. Ich verwarf die Schwimmhalle und schwamm bei Ebbe zwischen Felsen und Kelp hin und her, im frischen, aufgewühlten Atlantik. Nur Minuten vorher hatte ich im Cafe « Desde la puerta los sables » gesessen, zwischen Großstadthipstern. So was gibt es in A Coruña.
Donnerstag 31.Mai 2018
12 Meilen nördlich der Berlengas, Nazarè querab
Blaues Wasser unterm Kiel, endlich Wind. Wir waren auf dieser Tour ja nicht gerade vom Sturm heimgesucht. Will man auch nicht, zuviel Wind hatte ich hier ja letztens schon, aber eine Brise kann man vom Atlantik doch wohl erwarten.
Vielleicht hätten wir Rasmus/Poseidon/Neptun am Anfang doch ein Trankopfer bringen sollen. Ist nämlich nicht geschehen, weil unser Skipper den Brauch nicht kennt. Man kann ja zu solchem Aberglauben stehen wie man will: Wenn man ihn beachtet, kann es zumindest nicht daran liegen.
Noch 80 Meilen bis Lissabon. Wir haben das Ende der Tour vor Augen. Ich will hier lieber kein Fazit ziehen, noch sind wir ja nicht da. Sieht aber so aus, als ob wir den 1.800 Meilen Törn morgen miteinander zu Ende bringen werden. Zwischenzeitlich war ich mir nicht ganz sicher, ob alle an Bord bleiben. Was meinte mein Skipper-Kollege Rainer Tatenhorst neulich am Telefon: Auf Langfahrt gibt’s ja immer Stress, ist fast unvermeidlich: Die Enge, in der unterschiedliche Prinzipien aufeinanderprallen: Politische, religiöse und moralische Ansichten. Und dann die Dynamik der Reise, des Wetters, der Technik, die alles aufmischt… Von offenen Konflikten sind wir auf dieser Tour glücklicherweise verschont geblieben. Ich kann sogar sagen, dass wir uns zusammengerauft haben und jetzt als Crew zu gebrauchen sind. Norming, storming, forming, performing. Diese vier Phasen hat mir eine britische Skipper-Psychologin als Standardentwicklung bei Teams gesteckt. Wir hier an Bord sind in der letzten Stufen angekommen: Jeder hat erfahren, wo die Grenzen des anderen liegen und respektiert sie. Wir wissen auch, dass wir uns aufeinander verlassen können.
Schade eigentlich – jetzt wo wir auseinandergehen, könnten wir sonstwo zusammen hinsegeln.
1. Juni 2018, Lisboa
3 Wochen nach Fehmarnsund sind wir den Tejo rauf, bis hinter das Zentrum Lisboas. Dort, im Parque das Nacoes liegt die Imperia nun sicher vertäut. Sieht nett aus die Gegend, ich würde mich hier gern mal umsehen, aber wir wuchten unsere Seesäcke von Bord und lassen den Skipper allein. Wir wünschen ihm alles Gute für die Tour um die Welt – bis hier hat doch alles gut geklappt!
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