Yachtüberführung, Törnbegleitung, Inbetriebnahme: Werftneuer Katamaran Fontaine Pajot Saba 50: La Rochelle nach Lanzarote

Freitag 26. März 2021

Reisen – wieder sehr angenehm, trotz oder gerade in der Pandemie. Mit Co-Skipperin nach La Rochelle per Bahn. Umsteigen in Paris. Durch das Metrolabyrinth mit schwerem See-Gepäck, das ist immer eine Herausforderung. Weiter mit dem Schnellzug gen Atlantik, 13 Stunden von Hamburg liegt der Starthafen. 

 

Am Besuchersteg in La Rochelle: Nagelneue Katamarane und Trimarane – auch etliche große: Lagoon‘s, Fontain Pajot‘s, Neel’s. Teilweise noch abgeplant, wie frisch vom Band. Freundlicher Empfang vom Eigner Jochen, ein Facharzt, und seiner Frau mit Champagner und Baguette. Auch Jan, ein Freund von ihnen ist angekommen. Sonst noch an Bord: Zwei schneeweiße Malteser mit Knopfaugen. 

Ich hatte schon geahnt, was die Neu-Eigner hinter sich haben: Die Werft – Fontaine Pajot – hat die Yacht mit Verzögerung fertig gestellt, das brachte die Zeitpläne ins Wanken und das Paar an seine Grenzen. Solch große Yachten sind ja komplex, eher einem Haus vergleichbar als einem Auto. Ihre Inbetriebnahme ist mehr ein Prozess als ein Zeitpunkt – was oft unterschätzt wird. Mancher nutzt die Nöte: Der Eigner erzählt mir, dass er auf der Pier von einem Deutschen namens Thomas angesprochen worden war. Thomas Geschäftsmodell ist es, überforderten, von Händlern und Werft allein gelassenen und von Handwerkern übervorteilten Neueignern unterstützend zur Seite zu stehen. Er organisiert diesen Prozess der Yacht-Inbetriebnahme und hat ein Auge auf seine Pappenheimer – die Handwerker. Jochen hat Thomas Dienste zwar nicht in Anspruch genommen, aber man merkt ihm an, dass er sich darauf freut, La Rochelle – nach all der Arbeit –  endlich unter Segeln hinter sich zu lassen.

Am nächsten Morgen zurre ich das Dingi fest, die Crew bunkert, später machen wir eine Testfahrt bei bestem Wetter: Es ist Wochenende. Mit der Tide laufen dutzende, wenn nicht hunderte, kleiner und großer Yachten aus dem Kanal von La Rochelle hinaus auf die offene See. Ganze Gesellschaften sitzen zusammen an Bord, wie bei Monet.

Wir ziehen das Groß hoch, probieren die Reffs aus, testen den Autopiloten und auch sonstige Elektronik. Es scheint alles ok zu sein. Auch das Zusammenspiel untereinander. 

Am nächsten Tag geht das Yachtskipper-Team noch eine Runde laufen, kauft frisches Brot und lädt wettermäßig alles Nötige herunter. Der Eigner schart schon mit den Hufen. An der Tankstelle jedoch ein Malheur: Anna und ich werten eben noch das Routingprogramm für die Reise aus, als wir es platschen hören. Jochen hatte anscheinend mit soviel Kraft an der Zapfpistole gezerrt – die im Stutzen verklemmt war – dass er, als sie plötzlich freikam, das Gleichgewicht verlor und hinter den Kat in das schnell strömende Wasser stürzte. Mann über Bord!! Wir brauchen eine Sekunde, um zu begreifen, aber da hat er die Badeleiter schon wieder zu packen bekommen und sich an Bord gezogen. Das fängt ja gut an…Etwas schockiert tanken wir zu Ende. Jochen hat er sich bei dem Sturz eine Prellung des Brustbeins zugezogen und klagt über Schmerzen. Winkt aber dann ab, es gehe schon. 

Sonntag, 28. März 2021

Wir passieren die Isle de Rei an Steuerbord, umrunden bei Sonnenuntergang das Kap Oleron und gehen auf West-Südwest-Kurs Richtung Galizien. Endlich aufs Meer hinauszukommen ist doch immer eine Befreiung, auch wenn es auf der Route noch viele Unbekannte liegen: 350 Meilen, quer durch die Biskaya, also gute 3 Tage, bis wir wieder in Landnähe sein werden: Niemand kann sagen, ob und wie wir miteinander klarkommen werden, und ob die Technik der neuen Yacht mitspielen wird.

Jochen schlägt vor, trotz des schwachen Windes zu segeln. Prompt kommt über Satellit der Kommentar unseres Wettermanns Thomas. Er wacht aus dem heimischen Backoffice in Deutschland über unseren Track und schreibt:

„Bei dem Tempo braucht ihr 18 Tage nach Lanzarote“.

Warum nicht?, denke ich.

Am nächsten Tag weht ein frischer Südost. Dazu rollt eine 3 Meter Dünung aus Nordwest an. Idealbedingungen. Der Kat, keineswegs leicht, eher ein Haus auf Kufen, bahnt sich seinen Weg durch die See. Wir haben die ersten Manöver hinter uns, die Angel ist ausgebracht, das Herz lacht. Lara, Jochens Frau, fremdelt noch etwas mit der Dünung und bleibt in ihrer Kabine. Auch Anna ist unpässlich. Jan hingegen fühlt sich herrlich. Gemeinsam bereiten wir eine Mahlzeit zu. Die  Malteserhündchen beobachten uns und der Eigner beginnt sich zu entspannen.

So vergehen die Stunden, doch nach einem Tag ist der Zauber vorbei. Der Wind beginnt zu schwächeln, ehe er ganz versiegt. Gehört leider zum Job: Motor an und durch. Ist ja aber auch nicht der Ort, wo man lange in der Flaute liegen will.

Am Dienstagmorgen erreichen wir A Coruña. Über Telefon habe ich für den neuen Motor den vorgeschriebenen Wartungstermin durch eine Fachwerkstatt organisiert. Es scheint noch vor dem Osterwochenende zu klappen. Die Seca-Werft aus A Coruña will uns später jemanden in die Marina schicken. Wir schauen inzwischen wieder in dieser alten und neuen Stadt vorbei, die am offenen Atlantik liegt, wie keine zweite.

A Coruña

Die Seca-Werft, die nur in ihrer eigenen Marina arbeitet, nimmt Jochen für einen Ölwechsel an den Motoren (in etwa eine Stunde Arbeit für 2 Mechaniker plus Material,2 Filter und 10l Öl) 650 Euro ab. Das ist doch nichts anderes als moderne Wegelagerei.

Ich plaudere mit ein paar Griechen. Sie liegen neben uns am verlassenen Steg und haben in Frankreich eine Lagoon 50 mit Namen Nana und Heimathafen Mykonos abgeholt. Auch sie warten darauf, dass der Südwind aufgibt. Abends kommt ihre restliche Crew an. Wir sitzen bei uns an Bord und trinken Wein, sie bei sich. In normalen Zeiten wären wir sicher zusammengekommen, hätten uns ausgetauscht, etwas gefeiert. Corona lässt das einfach nicht zu. Jeder minimiert das Risiko, will an Bord keinen Ausbruch riskieren.

Grün-Donnerstag, 1.4. 2021

Am nächsten Tag noch mal am Playa del Orzàn ins kalte Wasser gehüpft und ein Besorgungen gemacht. Nach einem Schauer legen wir ab. Motoren nachts ums Kap Fisterre. Die Griechen dichter unter Land, sind einen halben Knoten schneller. Es folgen Nebelbänke.

Am Mittag des nächsten Tages gewinnt die Sonne die Oberhand, wenn es auch dunstig bleibt. Ich versuche die Griechen anzufunken, sie melden sich auch. Als ich antworten will, bricht die Stromversorgung unserer Funke zusammen. Ich versuche es nochmal. Da geht es dann wieder, doch das Vertrauen in die Technik ist weg. Gut, dass ich ein Inreach-Gerät und eine Handfunke dabeihabe. Gerade was den Funk angeht, habe ich schon viele Ausfälle erlebt.

Samstag, 3.4. 2021

Endlich ist die Flaute vorüber. Wir kreuzen in langen Schlägen vor dem Wind nach Süden. Der Plan ohne Anzuhalten nach Lanzarote durchzufahren, weicht aus verschiedenen Gründen einem Stop Over in Cascais. Auch  unser Wettermann rät ab, aber wir wollen uns den Landgang vor dem großen Schlag nicht nehmen lassen. Am Ostersonntag laufen wir ein. Ich beantrage einen Hafentag beim Eigner. Anna und ich fahren mit dem Bus nach Sintra, dessen Hügel im Norden aufragen. Die Pandemie hat auch Vorteile. Der sonst eher überlaufene Ort ist  verlassen. Wir zwängen uns unter einem Tor durch, klettern hinauf zu einem maurischen Kastell.

Stopover in Cascais, Besuch von Sintra

Ostermontag, 5. April 2021

Am nächsten Tag motoren wir zunächst nach Süden. Die Nacht ist ruhig. Erst kurz vor dem Kap Sao Vicente setzen wir Segel, die dann tagelang nicht mehr fallen werden. Wir umschiffen das VTG São Vicente östlich und gehen auf Kurs 200 Grad Richtung Lanzarote. Der querende Verkehr wird weniger, der Wind spielt mit: 12, 16 Knoten aus Nordwest. Wir kommen in Fahrt. Der Kat läuft, was er kann, wir machen Strecke.

Der Wind hält an. Der Rhythmus des Ozeans, die Dünung, geht in Fleisch und Blut über. Ein konstanter Takt der Wellen, wir rauschen durch das Blau, nachts unter Sternen, und bedauern nur, dass es nicht gleich bis nach Brasilien geht.

Wir gehen Einzelwachen, nur Jochens Frau bleibt verschont. Natürlich gibt es auch Probleme: Das Funkgerät zum Beispiel hat tatsächlich eine Macke: Wenn man die „Senden“-Taste drückt, bricht die Spannung zusammen, das Gerät fällt  aus. Das ist zwar doof, aber nichts, was die Freude trüben kann.

Das neue Schiff – bei weitem kein Performance-Kat – läuft wunderbar. Ich ordne eine feste Mahlzeit am Tag, bei der alle am Tisch sitzen und sich in die Augen schauen können. Durch die unterschiedlichen Wachzeiten fällt mir so eine Crew sonst zu leicht auseinander.

Mittags schieße ich mit dem Sextanten die Sonne, Anna arbeitet sich ein. Der Vorgang besteht aus drei Messungen. Eine vor der Kulmination (Höchststand der Sonne), eine zum Zeitpunkt, und eine danach. Das hält einen gut zwei Stunden auf Trab, aber dann hat man die Position unter 5 Meilen von der GPS-Position entfernt. Altmodisch, ja, aber beruhigend es zu können.

Blick aus dem Kojenfenster

Nach zwei Tagen stehen wir auf der Höhe von Casablanca, etwa 150 Meilen Offshore. Nach Portugal sind es 300 Meilen, nach Lanzarote ebenso. Vor einer Stunde, beim Abendessen, schien die Welt noch in Ordnung. Jetzt klopft es an meiner Kabinentür. Lara sagt, Jochen ginge es nicht gut.

Er berichtet von Schmerzen im Brustbereich, sieht mitgenommen aus. Beim Abendessen war er still gewesen, ich hatte das als Zufriedenheit missdeutet. Er ist ja der Arzt, sagt, dass er auf dem schnellsten Weg ins Krankenhaus wolle, nur nicht nach Marokko. Möglicherweise war die Folge des Sturzes in La Rochelle doch nicht nur eine Prellung.

Wir waren ohnehin etwas langsam geworden, packen die Segel ein und geben nun Gas. Zur Sicherheit nehme ich per Inreach über Satellit Kontakt mit Bremen Rescue auf, beschreibe die Situation. Man schreibt mir zurück und verweist auf die Telefonnummer. Mir wird plötzlich wieder bewusst, wie dramatisch es hier draußen sein kann, so fern jeder medizinischen Versorgung. Wir versuchen im Vorwege eines solchen Törns per Fragebogen herauszubekommen wie es den Mitsegler gesundheitlich geht, aber im Grunde muss man mit allem rechnen. Zum Glück gibt es Mitsegler wie unseren Jan, der für solche Fälle Tramal dabei hat: Ein Schmerzmittel, das in seiner Wirkung kurz vor Morphium kommt.

5  Tage nach Cascais erreichen wir die Marina Rubikon auf Lanzarote. Jochen geht es besser. Die Hunde bellen aufgeregt, endlich Landgang. Die Insel ist noch mitten in der Pandemie, alles geöffnet, aber kaum Touristen da. Wir machen einen Tag frei, genießen die Wärme. Dann bringen uns die Eigner nach Arrecife, zum Flughafen: Weiter geht es nach Sardinien. Auf zum nächsten Job…..

 

Kamaran Überführungen Atlantik

Der Kat ist auf Lanzarote angekommen, alles ok.