Yachtüberführung mit Hindernissen

 

 

Yachtüberführung Katamaran FP Saba 50

Das Schöne am Segeln ist ja die Unplanbarkeit… Das haben wir gestern wieder erfahren, als wir bei Flaute von Lanzarote in Richtung Gibraltar motorten. Etwa 50 Meilen vor der marokkanischen Küste bemerkten wir eine Unwucht am Steuerbordpropeller. Bei der Unterwasserinspektion per Gopro mussten wir feststellen, dass nicht nur an diesem, sondern auch am anderen Propeller diverse Blätter fehlten. So eine Schlamperei! Hatte da jemand auf der Werft einen schlechten Tag gehabt und die Befestigungsschrauben nicht richtig eingeklebt…? Wir waren doch noch vor der Abreise getaucht und hatten uns die Propeller angesehen…! Wie dem auch sei. Die Motoren waren auf jeden Fall bis auf Weiteres nicht mehr zu gebrauchen.

Kaum Wind.Unter Code 0 machten wir uns auf den Weg an die Küste und erreichten den reinen Fischerhafen Essaouira noch vor Sonnenuntergang. Dort wehte es inzwischen auflandig mit 20 Knoten und entsprechenden Wellen. Wir hatten mit der Rettungsleitstelle, dem MRCC Rabat per Telefon Kontakt gehabt und vereinbart, dass das örtliche SAR (Search and Rescue)-Boot bei Ankunft rauskommen und uns in die Bucht schleppen würde. Zwar war die Windrichtung günstig und man hätte vielleicht auch hinein segeln können, aber wir wollten lieber auf Nummer sicher gehen. Wir haben wohl zu viele Videos gesehen, in denen Boote in Wellen am Eingang von Buchten aus dem Ruder laufen.

Etwas seltsam kam es uns schon vor als das MRCC Rabat uns höflich fragte, ob es für uns in Ordnung wäre, wenn das Rettungsboot erst gegen 20:00 Uhr, also bereits bei Dunkelheit zu unserem Beistand kommen würde.

Wir waren inzwischen immerhin seit über drei Tagen auf See und sollten nun noch ein paar Stunden bei 20 Knoten Wind vor der Bucht zwischen Fischerbooten hindurch kreuzen? Na, die werden schon ihre Gründe haben, sagten wir uns.

Immerhin: Pünktlich zur vereinbarten Zeit tauchten die Lichter des SAR-Bootes auf. Wir bargen das Großsegel und man näherte sich uns von Luv mit dem Heck. Arabische Stimmen schrieen wild durcheinander, überlagert vom schweren, röhrenden Sound der Maschine. Man warf uns eine Affenfaust herüber, an die eine Leine geknüpft war. Zu meinem Erstaunen war die nicht viel dicker als mein kleiner Finger. Was zunächst wie ein schlechter Scherz wirkte, war aber anscheinend ernst gemeint: Aber wie sollte denn eine so dünne Leine einen 19-Tonnen-Katamaran ziehen? Der Tross setzte sich ruckend in Bewegung. Der Kapitän des Rettungsbootes setzte seine schwere Maschine immerhin mit viel Fingerspitzengefühl ein.

Etwa eine Viertelmeile vor der Einfahrt zur Bucht brach die Leine. Unter großem Geschrei wurde uns vom Arbeitsheck eine zweite Leine herübergeworfen. Damit ging es weiter auf den Eingang der Bucht zu, die zu einer Seite von Felsen und zur anderen Seite von dem wohl ebenso scharfkantigen Archipel Marokkos flankiert wird. Die Wassertiefe nahm ab, der Schwell zu. Wir waren schon recht dicht an den Felsen, als die Leine ein zweites Mal brach. Jetzt schob uns aber der Schwell bereits voran, ein Wiederanknüpfen der Schleppverbindung hätte leicht zum Zusammenstoß geführt. Aber wenn wir auf die Felsen gerieten, würde es sicher schnell lebensgefährlich werden.

Wir rollten die Genua aus und signalisierten unseren „Rettern“, dass wir es aus eigener Kraft versuchen würden, ehe wir am Ende alle gemeinsam havarieren würden.

Segeln war natürlich überhaupt kein Problem. Die Genua allein zog uns voran. Bald waren wir an der Insel und der kritischen Stelle vorbei. Das Rettungsboot fuhr voraus. Über Funk sagte der Kapitän, dass wir ihm folgen sollen, er würde uns den perfekten Ankerplatz zeigen. Wir luvten an, schossen auf und warfen schließlich den Anker auf 5m Wassertiefe, etwa 2 Kabellängen von der Hafeneinfahrt entfernt.

Das Rettungsboot verschwand in seinem Hafen. Fortsetzung folgt…Nur soviel sei vorher verraten: Nach 2 Tagen in Essaouira ahnen wir den Grund, weshalb man uns erst im Dunkeln zur Hilfe eilte: Es ist Ramadan. Vor Sonnenuntergang haben die Retter schon ewig nichts gegessen…

Autor: Rainer Holtorff