Yachtüberführung Portugal – Hamburg

Von Rainer Holtorff

Freitag, 23.10.2015  Unterwegs: Bucht von Sines, Portugal.

Die Crew sitzt im Cockpit und redet. Wie alle Crews, die gerade auf Törn gehen, können oder wollen sie nicht schlafen.

Alexis sagte eben, er müsse Tageslicht tanken, denn wir führen ja in Nebel und Dunkelheit hinein. Fibre (gesprochen Feiber) ergänzte, es seien nur noch 11 Stunden Tag, aber 13 Stunden Nacht, Tendenz zunehmend. Was soll ich sagen – sie haben ja recht.

Wir sind auf dem Weg nach Hamburg. Zu fünft sind wir vor Stunden aufgebrochen, raus aus Lagos, dem Touristenort an der Algarve. Wir sind wahrscheinlich zu dieser Jahreszeit die einzige Yacht, die nach Norden fährt. Es ist schon Ende Oktober.

Roland, unser Senior, hat eine Landkarte an die Wand im Salon geklebt. Macht er immer, sagt er. Auf der Karte ist die ganze Strecke drauf. Die Costa de la Muerte, die Biskaya, der Ärmelkanal, die Nordsee. 1600 Meilen.

Ich versuche da erst mal gar nicht so genau hinzuschauen. Die Strecke flößt einem ja schon im Sommer Respekt ein. Aber jetzt kommen die richtigen Tiefs angerauscht. Mal sehen, was wir daraus machen.

Neulich war ich in Heiligenhafen und habe an einer Wand einen Spruch gelesen:

„Gottes sind Wogen und Wind. Die Segel aber und das Steuer, mit dem ihr den Hafen gewinnt, sind euer.“

Ich bin zwar nicht fromm, aber ein wenig Ehrfurcht hat mir dieser Spruch dann doch eingeflößt, weswegen ich ihn der Crew gestern in Lagos beim Abschiedsessen mit dem Eigner aufsagte. Ich habe nur Achselzucken und betretenes Schweigen geerntet.

Unser Steuer, mit dem wir den Hafen gewinnen wollen, gehört zu einer Dehler 47, Baujahr 2007. Die Gute war 6 Jahre in der Karibik unterwegs, von Nord bis Süd. Hat kaum eine Ecke ausgelassen. „Beim Chavez“ habe es ihr besonders gefallen, erzählte der Eigner. Jetzt ist es an der Zeit, sie wieder ein wenig zu verjüngen, die Kontakte zu pflegen, etwas an Rigg und Segeln auszutauschen, und deshalb geht sie in ihrem Heimathafen Hamburg ins Dock.

Vor drei Stunden haben wir das Kap Sao Vicente passiert, das ist die Ecke ganz unten links auf der Iberischen Halbinsel.

Gleich kommt die erste Nacht. Der Wachplan hängt schon an der Wand. Ich habe 2-Stunden-Wachen angeordnet und bleibe selbst im Standby. Mal sehen, wie es läuft…

 

24.10.15  07:24

Endlich ist Wind aufgekommen, eine Brise von Osten. Aber wo bleibt das Licht? Es ist doch schon halb acht, aber das einzige, was hier rötlich schimmert, ist das 50 Kilometer entfernte Lissabon. Wir wissen, dass heute Abend ein ziemlich kräftiger Nordwind einsetzen soll, deshalb werden wir wohl in Cascais anhalten müssen. Wir müssen auch die Heizung in Betrieb setzen, für die kommenden Breiten.

 

24.10.15  08:55

Nach neuen Wetterdaten fiel eben die Entscheidung, weiter an der Costa de la Muerte nach Norden hinauf zu segeln und nicht nach Cascais, obwohl man den Hafen schon sehen konnte.

24.10.15   13:30, noch 20 Meilen bis Peniche querab.

Mir fallen die Entscheidungen, ob man einen Hafen anläuft oder weiter fährt, an der ‚Costa de la Muerte’ recht schwer. Besonders seit dem tragischen Unfall der Meri Tuuli vor Figuera da Foz im Jahre 2013. Die Besatzung dieser Yacht war relativ ahnungslos, als sie in der Hafenansteuerung von einer Grundsee überrollt wurde, was sie kentern und schließlich stranden ließ.

Es ist an dieser Küste leider so, dass bei bestimmten Wetterlagen Häfen von den Behörden „geschlossen“ werden, weil die vor ihnen sich auftürmenden Seen zu steil werden. Das Paradoxon besteht dann darin, dass man unter Umständen keinen Schutz mehr findet, wenn man ihn am dringendsten nötig hat. Da es an der Iberischen Atlantikküste ohnehin relativ wenige Häfen gibt, muss man also schon sorgfältig abwägen, ob man auf eine sichere Ansteuerung verzichtet, um weiter voran zu kommen.

In unserem konkreten Fall ging es nun darum, ob wir Peniche anlaufen oder weiterfahren. Gerade haben wir beschlossen, zunächst bis zum Rio Douro (Porto), eventuell sogar bis zur Ansteuerung von Vigo zu segeln.