Am Mittwoch, den 4. November erreichten wir die Iroise-See, westlich von Brest.
Da wir keinerlei neue Wetterdaten hatten, fragte ich über Funk bei einem dänischen Frachter an, der unseren Kurs kreuzte. Der Wachhabende meldete, dass es keinerlei Starkwindwarnungen gäbe. Aufgrund dieser Information beschlossen wir, Brest rechts liegen zu lassen und weiter in den Ärmelkanal zu segeln.
Umso verdutzter waren wir, als wir die Isle de Ouessant querab hatten, und der Wind plötzlich stark wurde. Auch bekamen wir jetzt über das Handy eigene Wetterdaten – und siehe da: Es gab sehr wohl Sturmtiefs in unserer Nähe. Zudem warnte die französische Küstenwache über Funk inzwischen mindestens 10 Mal in der Stunde vor
„mer agitèe forte“. Bis heute rätsele ich, was der Däne sich angeschaut haben mag – aktuelle Wetterkarten können es jedenfalls nicht gewesen sein.
Um Brest anzulaufen, war es nun allerdings zu spät. Als die Dunkelheit kam, standen wir bereits zu nördlich und hätten gegen Wind und Strom zurückkreuzen müssen. Wir konnten nur noch nach vorne schauen. Wir änderten den Kurs hinter Ouessant nach Ost und segelten hinter die Abdeckung der nördlichen Bretagne.
Im Morgengrauen machten wir im Städtchen Roscoff fest.
Samstag, 7. November 2015
Endlich werden wir Roscoff verlassen. Über 2 Tage wurden wir hier von einem Sturmtief festgenagelt. Zwar passte die Windrichtung zu unseren Reiseplänen, aber ich konnte es nicht verantworten, dass wir bei über 40 Knoten aus Südwest und hoher Atlantikdünung um das Cap de La Hague segeln – die Nordwestecke der Normandie. Unweit davon sind die stärksten Gezeitenströme der Welt. Da möchte man nicht im Sturm sein. Und wenn, dann lieber nur als Crew, aber nicht als Skipper …
Es war ja vorauszusehen, dass ein Törn in dieser Jahreszeit Liegezeiten mit sich bringen würde. Seefahrt hatte ja schon immer mit warten zu tun. Man muss seine Zeit einfach nutzen. Wir haben uns das bretonische Städtchen Morlaix angeschaut, sind ein bisschen im Sturm und Regen in Roscoff umhergewandert, aber es war letztlich doch eine Zwangspause. Nun geht es endlich gleich weiter…
Montag, 9. November, Cherbourg, 14:00 UTC
Von Roscoff aus sind wir am Nachmittag gen Guernsey/Cap de La Hague gesegelt.
Ein durchkalkuliertes Zeitfenster, zwischen zwei Fronten. Auf dem Weg zum Kap stieg der Druck sprungartig auf 1027 Hectopascal, es gab eine kurze Flaute – dann setzte auch schon wieder der Südwind ein, der von einem neuen Tiefdrucksystem herrührte. Wir segelten mit 11 Knoten ums Kap und erreichten Cherbourg bei stark bis stürmisch auffrischendem Südwestwind am Vormittag.
Wir haben kurz überlegt, ob wir hier nur eine Gezeit abwarten und weiter gen Dover ziehen, verwarfen die Idee aber wieder: Zu ruppig wäre die See in der Strait und vor der belgischen Küste gewesen. Man darf auch nicht vergessen, dass wir überwiegend bei Dunkelheit unterwegs sind. Heute (einen Tag später) stehen hier noch immer 6-7 Beaufort. Wir werden dennoch gleich ablegen und hoffen auf moderate Bedingungen, wenn es morgen eng wird bei Calais. Wir rechnen damit, etwa 24-27 Stunden bis dorthin zu brauchen. Geplant ist, zumindest bis nach Amsterdam, wenn nicht gleich bis Cuxhaven durchzusegeln.
Nachtrag:
Wir verließen Cherbourg. Schon kurz hinter der Hafenausfahrt staunten wir nicht schlecht, als der Großbaum auf raumen Kurs in den Wellenbergen das Wasser streifte.
Eine Zeitlang rauschten wir mit über 10 Knoten nach Osten. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit gingen wir beim Großsegel ins zweite Reff. Und schließlich liefen wir nur noch unter Fock, welche wir an einem gesonderten Stag fahren können.
Die Genua benutzten wir nicht mehr. Wer traut bei Starkwind schon einem Rollsegel …
Die Nacht war bewegt bei Südwest 6-8. Im Logbuch findet sich wenig. Typisch für so eine Situation. Man ist mit anderen Dingen beschäftigt als zu schreiben. Zum Beispiel, die Rollbewegungen des Schiffes auszugleichen. Oder seine Kräfte zu schonen, weil man weiß, dass man sie später unter Umständen noch benötigen wird.
Wir fuhren bei Südwest 6-8 und 3-4 Meter Welle eine Zeit lang nach Osten, bis wir schon den Himmelsschein von Le Havre ausmachen konnten. Dann gingen wir auf den Steuerbordbug und luvten an gen Calais.
Gegen 09:00 Uhr morgens standen wir 30 Meilen vor der „Dover Strait“. Dort kommt es darauf an, welche Gezeit vorherrscht, also ob einem das Wasser entgegen kommt oder mitläuft.
Am Mittag, bei mitlaufendem Strom, erreichten wir den Flaschenhals der Strait. Kap Griz Nez war grau und verhangen; von den White Cliffs auf der englischen Seite war nichts zu sehen. Eigentlich dachten wir, dass wir damit auch schon das Gröbste hinter uns hatten, aber – entgegen der Vorhersage – frischte der Südwestwind bei Calais noch einmal richtig auf. Zudem kam uns das Wasser nun entgegen, was steile, hohe Wellen brachte.